Hättet ihr mich vor 6 Jahren gefragt wie ich zu mentaler Gesundheit, Anxiety & Co stehe, hätte ich wahrscheinlich mit den Schultern gezuckt und gemeint „keine Ahnung“ oder „kann ich nicht verstehen“ oder „die übertreiben doch alle“. Heute, einige Jahre und Erfahrungen später kann ich (muss ich? will ich?) sagen „been there, done that“!
Für viele Leute war ich stets „Kathi der Sonnenschein“. Die Person die nie wirklich schlecht drauf ist, ihren Ärger nicht zeigt, die nicht laut wird, nicht vor anderen weint und sowieso und immer alles im Griff hat. Dass dem nicht so ist wusste schon immer nur ich und einige wenige, die mir nahe stehen. Angefangen beim gemobbt werden in der Volkschule bis hin zu harten Schwierigkeiten mit meinem Gewicht im Gymnasium – ich habe alles einmal durch. Und natürlich haben mich diese Dinge berührt, aber so gefühlt wie heute habe ich nie. Irgendwie habe ich all dies immer aus der Ferne beobachtet – so richtig angekommen in meinem Herzen, meinem Kopf, meinem Bauch ist es nicht.
Dass allerdings nichts Falsches daran ist mal nicht alles im Griff zu haben, auch mal loszulassen und nicht ok zu sein, habe ich erst in den letzten 2 1/2 Jahren gelernt. Was der Auslöser dafür war weiß ich bis heute nicht. Ich glaube es war eine Kombi aus Pille, FH Stress, Beruf und Unzufriedenheit mit mir selbst – eine quasi toxische Mischung die mich irgendwann zum Explodieren gebracht hat. Und mit explodieren meine ich meine erste mini Panikattacke (achtung Stigma) die mir die Luft abgeschnürt und mich tränenüberströmt am Badezimmerboden zurückgelassen hat. Dieser Moment brachte mich zum Aufhorchen – es war wie ein Schlag ins Gesicht mit dem bitteren Beigeschmack von unglaublicher Unsicherheit und einem tiefen schwarzen Loch auf das ich geradewegs zusteuerte. Nach etwa 30 Minuten habe ich es geschafft mich wieder aufzuraffen – allerdings nur vom Boden ins Bett um dort das ganze Szenario noch einmal Revue passieren zu lassen. So lag ich also da, starrte auf die Decke und versuchte tausend Fragen zu beantworten, die mir durch den Kopf schwirrten. Bin ich so unglücklich? Darf ich sowas überhaupt, mir geht’s doch eigentlich nicht schlecht? Wann hat das alles begonnen? Übertreibe ich? Und so weiter und so fort.
Ich holte meinen Laptop, las mir unzählige Artikel durch, suchte nach „Symptomen“ und merkte dann erst wie oft ich eigentlich zustimmend nickte.
Rückblickend betrachtet hat mein mentales Durcheinander wahrscheinlich schon viel früher begonnen. Im Alter von 16 bis 21 Jahren hatte ich sehr oft starke Migräne, einen Sommer lang fast wöchentlich. Mit 23 bin ich immer weniger rausgegangen, habe Treffen mit Freunden abgesagt, wollte nicht unter Menschen, wurde viel ernster als ich es jemals war, weinte oft wegen den unnötigsten Dingen (sorry Luigi!) und war irgendwie schon lange nicht mehr unbeschwert glücklich.
Nach einiger Zeit klappte ich den Laptop zu und so auch das Thema. Ich stempelte es als einmalige Sache ab und machte mit dem Alltag weiter. Dass es allerdings keine einmalige Sache war, durfte ich bald lernen.
So ging ich also irgendwann zu meiner Hausärztin, schilderte ihr meine Problemchen und fragte Sie, was mann denn da so machen kann.
Ihre erste Antwort: „Frau Stiedl setzen sie die Pille ab“.
Ihre zweite Anwort: „Frau Stiedl reduzieren sie Stress“.
Ihre dritte Antwort: „Frau Stiedl es kann ihnen nicht immer „gut“ gehen. Sprechen sie mit jemanden darüber, bitten sie um Hilfe und das Wichtigste – lassen Sie es auch einfach mal zu. Wenn Sie sich schlecht fühlen weil sie sich schlecht fühlen, ist das ein Teufelskreis der sie immer weiter runterzieht.“
Tja und wie zu erwarten hatte ich dann erst mal ordentlich was zu verdauen! Ich beschloss kleine Schritte zu machen und mich langsam an das Thema heranzutasten.
Meine erste Konsequenz war das Absetzen der Pille. Ich habe lange und viel überlegt, hatte Bedenken wegen meiner Haut, meinem Gewicht und sonstigen Veränderungen aber am Ende gewann die Sorge um meine mentale Gesundheit. Rückblickend war das wahrscheinlich die beste Entscheidung die ich treffen konnte – schon nach zwei Monaten wurde dieses schwere Gefühl in meiner Brust wesentlich leichter. Ich schwitzte nicht mehr als würde ich Höchstleistungssport betreiben sobald ich unter Menschen kam, ich konnte wieder besser schlafen und die extremen Stimmungsschwankungen waren wie weggewischt! Viele Dinge von denen ich dachte, dass sie selbstverständlich oder normal seien, haben sich durch das Absetzen der Pille (ins Positive) verändert. Ich kann bis heute nicht ganz realisieren was so eine kleine Tablette im Körper anrichtet und wie wenig wir (Frauen) davon eigentlich mitbekommen. Jetzt, 1 1/2 Jahre später, kann ich euch nur empfehlen auf euren Körper zu hören und gut darüber nachzudenken, ob all dies (wenn nicht andere Gründe wie z.B. Hautprobleme oder Endometriose im Spiel sind) die Pille und ihre Nebenwirkungen wirklich „wert“ ist. Wenn es euch interessiert kann ich hierzu auch noch einen eigenen Beitrag verfassen 🙂
Im nächsten Schritt widmete ich mich dem Thema Stress, was sich schon als wesentlich komplexer herausstellte – vor allem weil es sich die meiste Zeit um Stress handelte, den ich selbst zu verschulden hatte. Ich begann also damit mir zu sagen, dass ich nicht in die FH gehen muss, sondern kann. Das die Prüfung kein 1er sein muss, sondern kann. Das die Präsentation nicht perfekt sein muss, sondern kann. Das die Wohnung nicht zusammengeräumt sein muss, sondern kann. Das ich nicht immer perfekt gestylt sein muss, sondern kann. Ich versuchte (und versuche) also von nun an mit mehr Leichtsinn durchs Leben zu gehen, mir zuliebe. Bei einigen Dingen klappt das ganz gut, bei anderen immer noch weniger – aber auch das ist ok so (dazu habe ich in diesem Beitrag schon mal etwas geschrieben).
Nun zur dritten Antwort meiner Ärztin: Mir selbst einzugestehen, dass es mir heute eben nicht gut geht und nichts Schlimmes daran ist, entpuppte sich als riesen Überwindung. Ich habe mit der Zeit angefangen mit anderen über das Thema zu reden und gemerkt, wie viele Personen (von denen man es nicht glaubt) eigentlich mit ihrer mentalen Gesundheit zu kämpfen haben. Auf vollkommen unterschiedliche Weise und aus vollkommen unterschiedlichen Gründen. Und so wie bei allen Dingen gibt es auch hier keine Patentlösung. Der eine ertränkt es in Alkohol, die andere schaltet mit Drogen ab, die Dritte geht zur Therapie und der Vierte bekämpft die innere Dunkelheit mit exzessivem Sport.
Was mir dabei geholfen hat, die innere Dunkelheit (nennt es wie ihr wollt) manchmal einfach auch zuzulassen und zu akzeptieren, war denkbar leicht wie kompliziert. Ich machte mir klar, dass es nicht nur den einen Grund gibt der einem ein „Ok“ für schlechte Tage gibt – der die ganze Sache legitimiert und rechtfertigt. Es muss nicht der schwere Schicksalsschlag oder die bedrückende Kindheit sein, es gibt keine Formel die besagt wann es einem schlecht gehen darf und wann nicht. Jeder lebt seine eigene Wahrheit und jeder hat ein Recht darauf so zu empfinden, wie er/sie es nun mal tut.
Und wenn ich so wie heute Morgen aufwache, mich einfach nur schrecklich fühle mit unreiner Haut, geschwollenen Augen und einem Kloß im Hals der mit jedem Schritt größer zu werden scheint, ist das ok. Und wenn ich mich dann auf den Boden setze, weine und zwei Tage lang nichts und niemanden sehen möchte, ist das ok. Und wenn ich Treffen absage, nicht zurückschreibe und auf keine Anrufe reagiere, ist das ok. Ich muss mich – und das ist wahrscheinlich die größte Herausforderung – dafür weder vor mir selbst noch vor irgendjemand anderem rechtfertigen. Zu fühlen ist zu leben – und dieses Leben ist nicht immer perfekt.
Das Einzige was wirklich(!!) zählt ist, dass ich (und auch Du wenn es dir genauso geht) es da wieder rausschaffe (und wenn Du Hilfe dabei brauchst hol sie dir, auch das ist ok) und niemals (wirklich niemals!!) vergesse, dass einige schlechte Tage kein schlechtes Leben geben 🙂
xoxo, Kathi
Danke für diesen Beitrag, Kathi ❤
Danke dir fürs Lesen! <3
Wahre Worte! ❤
Toller Text 🙂
Danke dir 🙂
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